Der Gärtner

Guten Tag, den Morgen und auch Mittag. Ick darf mir vorstellen: Rainer Wieczorek, Künstler/Soziologe/Dadasoph, der im Jahre 1956 zum allerersten Mal das gelbe, fahle Licht einer Glühbirne erblickte und ganz schnell später die schönste Frau im Raum da sah, ihr, noch kopfhängend ein Babylächeln machte. Es hat ein bisschen länger gedauert, eh ich wusste, das ist eine Mama, meine.

Den Granit zur ganz eigenen Motivation, das mit dem »Künstler werden wollen« und dann »Künstler sein«, legte eine junge Frau so ganz nebenbei. Da saßen in einem Ferienheim ganz viele Kinder am großen Tisch, sollten schreiben ihre Urlaubskarte nach zu Haus. Und ich, der es nicht konnte, mich forderte sie auf, die junge Frau, doch einfach zu malen, mit dem Stift auf die Karte. Eine Kritzelzeichnung, die erste kleine Erkenntnisexplosion im Hirn des Rainer hatte stattgefunden.

Viel später gab's ein wenig Rebellion im Kunstunterricht, die Schulmauern wurden bemalt, eine Teerspur durch die Stadt gelegt, ein riesengroßer Che Guevara mit amerikanischen Leuchtfarben im Partykeller des Luberger, Paul McCartney in Plakatfarbe.

Eine Notiz, 1981: »Vulkanausbruch, frag nicht mehr, ob ich sein darf, sondern bin«. In dieser Zeit, im brodelnden, flüssigen Gestein schwammen die ersten Gedichte/Musik/Fotografie/ Plastik. Alles Versuche, Experiment, nie abgeschlossene Übungen. Wie ohnehin das ganze Leben eine Übung ist, ein Mensch zu werden: aufrecht, edel, liebend in Verantwortung für das ganze Universum. Das Bestehen im Universum, hier entscheidet sich, was aus der Menschheit wird, hier sind pragmatische Wahrheiten zu formulieren, zu finden, über unsere Religionsmetaphern: Gott, Himmel und Hölle, der Wunsch nach Unsterblichkeit, Seelenwanderung, Wiedergeburt. Und alles wird ganz anders sein als die schönen Märchen darüber. Gott ist Rätsel und wird es ewig bleiben.

In den letzten Jahren, fast schon Jahrzehnten gab es etliche Ausstellungen, Projekte, Aktionen: in Galerien, Kunstvereinen, Kulturämtern, Kneipen, Ateliers, Bedürfnisanstalten, Kellern, im Internet, auf Straßen, in diversen Läden, an den unterschiedlichen Orten. Das will ich fortführen, als Prinzip. Nur im reinen Kontext der Jetztkunst sich zu bewegen, ein reiner Künstler für den Markt zu sein, mit dem Endziel Museum und deshalb teuer, interessiert mich nicht. Da, wo das Museum Eitelkeiten und Profitmaximierung bedient, macht es sich überflüssig. Der inszenierte Rummel um Majestäten, Direktoren, Millionäre und die Größten ist lächerlich, ist unwürdig, ist Illusion. Wer Kunst nur als Ware begreift und alle seine Handlungen danach richtet, ist ein potentieller Töter derselben. Kunst soll mithelfen, die Welt zu gestalten. Kunst ist ein Werkzeug des Gärtners, den das Universum ruft. Kunst hat Bildungsauftrag. Kunst sucht in der Unendlichkeit von Form und Farbe nach Bildern, die uns Menschen begeistern, die uns berühren, die uns bilden, die unser Leben bereichern. Kunst ist offen.

Wovon aber soll ein Künstler leben? Vom Bilderverkauf? Grauenhaft!

Lasst die Frauen und Männer der Kunst unsere Städte und Landschaften gestalten. Lasst die Künstler sich daran üben.

Rainer Wieczorek, Berlin Januar 2001